„Gregor Mendel, dessen 200. Geburtstag vor wenigen Monaten in Brünn, Wien und auch weltweit gefeiert wurde, ist als ‚Begründer der Genetik‘ bekannt. Mendel zählt zu den großen Namen in der biologischen Forschung, und wird oft in einem Atemzug mit Charles Darwin genannt. Mendel hat mit seinen Versuchen an Erbsen die nach ihm benannten ‚Mendelschen Vererbungsregeln‘ entdeckt. Heute findet man seine Erkenntnisse in jedem Biologie-Schulbuch.
Ermöglicht hat Mendels wissenschaftliche Arbeit damals sein Eintritt ins Kloster in Brünn, der insofern auch ein Stück weit Mittel zum Zweck war, als dadurch sein finanzielles Auskommen gesichert war. Nur äußerst privilegierte Menschen konnten es sich im 19. Jahrhundert leisten, Forscher:innen zu werden. Mendel stammte aber aus einfachen Verhältnissen, und ohne das Augustinerkloster, das für seinen Lebensunterhalt sorgte, hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, sich der Wissenschaft zu widmen. Forschung benötigte damals wie heute die richtigen Rahmenbedingungen.
Obwohl Bildung zweifellos seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zugänglicher geworden ist, so wird in Österreich das Bildungsniveau immer noch verhältnismäßig stark innerhalb von Familien ‚vererbt‘ (nicht gemäß der Mendelschen Regeln, aber dennoch weitergegeben). D.h. Kinder aus bildungsfernen Familien erwerben seltener höhere Bildungsabschlüsse und sind in der Folge auch in der Wissenschaft unterrepräsentiert. Dass uns möglicherweise laufend potenzielle Nobelpreisträger:innen durch fehlende Förderung verloren gehen, ist ein bedrückender Gedanke. Forschung braucht Chancen und Vielfältigkeit um zu gedeihen, und sie braucht Zeit, Freiraum und den entsprechenden Stellenwert in unserer Gesellschaft. Dafür steht auch Gregor Mendel, der als Außenseiter, als Mönch, der nie Teil des akademischen Establishments war, eine neue wissenschaftliche Disziplin begründet hat.“
Barbara Fischer ist Evolutionsbiologin lehrt und forscht an der Universität Wien, wo sie unter anderem ein EU-Projekt anlässlich des 200. Geburtstag von Gregor Mendel leitet. Sie engagiert sich außerdem für Wissenschaftsvermittlung und ist Autorin der Biologie-Schulbuchreihe „Am Puls Biologie“ (oebv). Für ihre Forschung wurde sie unter anderem mit einem Wissenschaftspreis des Landes Niederösterreich und einem Elise-Richter-Preis des FWF ausgezeichnet.