Als Kind war mein Ziel Wissenschaftlerin zu werden pragmatischer Natur. Als deklarierter Mittelalter und Prinzessinnen-Fan kamen mir auch bald die Schattenseiten des Mittelalters unter: Infektionskrankheiten wie etwa die Pest. Ich ließ mich nicht beruhigen, dass solche Szenarien in der Vergangenheit liegen und wollte – á la „know your enemy „– an vorderster Front bei der Erforschung derartiger Krankheiten stehen.
Im Zeichen dessen studierte ich Mikrobiologie und Immunbiologie an der Universität Wien. Viele Fragen, die direkt die Prävention von derartigen Krankheiten betreffen, lassen sich allerdings nicht rein biologisch beantworten: Wieso etwa verlieren Menschen ihr Vertrauen in die Wissenschaft und zögern bei wissenschaftlich belegten Präventionsmaßnahmen? Ich wechselte in die Wissenschaftsphilosophie.
Wissenschaft ist nicht nur ein sozialer Prozess, weil sie (größtenteils) von Menschen und in Gruppen betrieben wird, sondern auch, weil Wissenschaft in die Gesellschaft eingebettet ist. Politisches, Soziales, Historisches lässt sich nicht aus der Wissenschaft entfernen. Das ist keine Schwäche der Wissenschaften – eine Wissenschaft, die gesellschaftliche Probleme nicht adressieren kann, ist nicht wünschenswert. Allerdings zeigt etwa die feministische Wissenschaftskritik, dass auch die gegenwertigen Wissenschaften Frauen, queere Personen, BiPOCs, usw. systematisch benachteiligen. Und wir Wissenschaftler*innen müssen derartige Ungerechtigkeiten beheben.
Besonders wenn es um Fragen geht, warum viele Menschen zögern, der Wissenschaft zu vertrauen, stehen auch wir Wissenschaftler*innen in der Bringschuld. Und diese besteht nicht im Erbringen von immer mehr Fakten, sondern einer reflexiven Haltung in Bezug auf unsere Aktivitäten, Erwartungen, und unbewusste Vor-Annahmen. Dies ist aber ein impliziter Teil der Wissenschaften, und keine (politische) Sonderübung.
Sophie Juliane Veigl studierte an der Universität Wien Vergleichende Literaturwissenschaften, Biologie, Immunologie und Wissenschaftsphilosophie. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Wissenschaftspluralismus. Forschungsaufenthalte führten sie unter anderem nach Tel Aviv und Cambridge. In Ihrer Freizeit ist sie unter dem Kampfnamen „Dr. Diotima“ als Wrestlerin aktiv, zum Beispiel im Flinta Fight Club