Herbert Edelsbrunner

 

(c) Paul Pölleritzer

„Viele kluge Dinge sind über die Verbindung zwischen Mathematik und Musik geschrieben worden, also werde ich diesen Text persönlich halten. Dass Musik mathematische Züge aufweist, ist vielfach belegt worden, dass aber Mathematik auch musikalische Aspekte zeigt ist genauso wichtig. Aus unerfindlichen Gründen ist der Weg zum praktizierender Mathematiker lang und steinig, also verfolgen ihn nur die wenigsten. Die meisten erfahren nie, wie viel Ästhetik die Mathematik ausstrahlt. Ähnlich wie in der Musik ist diese Schönheit manchmal berauschend und manchmal voll von Dissonanzen. Tatsächlich fragt sich vielleicht mancher, wieso die beiden Disziplinen nicht eins sind und wieso noch keine direkte Abbildung entdeckt wurde, eine Abbildung zwischen den beiden Gebieten die unabhängig von Gefühlen und Meinungen existiert. Pythagoras soll gesagt haben: ‚Geometrie findet sich in dem Klang einer gezupften Saite. Musik findet sich in der Anordnung von Sphären.‘ Vielleicht hat er diese Worte in einem Zustand geschrieben, in dem Musik und Töne in seinem Kopf eine geometrische Wirklichkeit annahmen und er die eigenwilligen Felsformationen der griechischen Inseln sprichwörtlich hören konnte.

Aber es gibt auch einen konkreteren Gedanken, der erwähnt werden sollte: Sowohl die Mathematik, als auch die Musik sind auf äußerst strikten Regeln aufgebaut, Regeln deren Bruch peinlich oder schlimmer sein kann. Paradoxerweise hilft uns dieser Gegenpol in der Schaffung von Schönheit und Perfektion. Wir lernen schneller, wenn unsere Fehler unmittelbar und unmissverständlich aufgezeigt werden. Jenseits dieser Parallelen gibt es ohne Zweifel tiefe Verbindungen zwischen Mathematik und Musik, die in der Wissenschaft noch unzugänglichen Gegenden unseres Gehirns zuhause sind.

Herbert Edelsbrunner ist Professor am Institute of Science and Technology Austria. Der aus der Nähe von Graz stammende Mathematiker gilt weltweit als ein Pionier auf den Gebieten der Computer-Geometrie und der Computer-Topologie. 2018 wurde Edelsbrunner mit dem Wittgensteinpreis, der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung Östereichs, geehrt.

Foto: (c) Paul Pölleritzer