An der MedUni Wien gibt es die einzige dezidierte Professur für Geschichte der Medizin in Österreich – untergebracht ist diese gemeinsam mit dem Medizinhistorischen Museum Wien im Josephinum, einem 1785 unter Joseph II. erbauten Juwel klassizistischer Architektur im 9. Bezirk. Im historischen Hörsaal könnte man durchaus einen festlichen Ball abhalten – neben Konzerten finden dort aber meistens wissenschaftliche Veranstaltungen statt.
Ursprünglich war das Josephinum eine Ausbildungsstätte für Militärchirurgen und Hebammen – dazu dienten auch die mehr als 1000 in Florenz gefertigten anatomischen Wachsmodelle, die zumeist auch öffentlich zugänglich waren und bis heute das Herzstück der einzigartigen historischen Sammlungen bilden. Die Modelle dokumentieren – so wie das Gebäude –, dass sich Wissenschaft und Kunst, Ästhetik und Erkenntnisgewinn nicht ausschließen.
Die Geschichte des Josephinum ist untrennbar mit dem Geist der Aufklärung und der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse verbunden – zuerst Anatomie und Geburtshilfe und seit 1920 die Geschichte der Medizin. Zuletzt erlebte das Fach während der Corona-Pandemie ein verstärktes, auch mediales Interesse – vor allem die Geschichte früherer Seuchen und Pandemien, die eine vergleichende Perspektive eröffneten.
Seit der Gründung der MedUni Wien 2004 (als Nachfolgerin der Medizinischen Fakultät der Universität Wien) ist noch ein weiterer Schwerpunkt dazugekommen: die Erforschung und Vermittlung der Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus und ihrer Nachwirkungen.
Herwig Czech ist Medizinhistoriker an der MedUni Wien. Er forscht und lehrt am Josephinum in der Währinger Straße, wo auch das Wiener Medizinhistorische Museum untergebracht ist. Ein wichtiger Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Medizin im Nationalsozialismus, zum Beispiel im Rahmen der „Lancet Commission on medicine, Nazism, and the Holocaust“. Die Erforschung der wechselvollen Geschichte der Wiener Medizin seit der Aufklärung und deren Vermittlung an eine breitere Öffentlichkeit ist ihm ein weiteres Anliegen.
Foto: Hinterramskogler-Josephinum