Die Stimme, die alle Ketten sprengt

La Ledoux / Foto: Wolf-Dieter Grabner

Katia Ledoux ist die Sensation der Saison. Erstmals ist die Opernsängerin beim Wissenschaftsball zu Gast. Und sprengt auch hier alle Erwartungen.

Es ist ein Abend, der in die Annalen der Oper eingeht. Wiener Volksoper, 1. Februar 2023: Katia Ledoux steht auf der Bühne, anders als geplant. Die 32-jährige Mezzosopranistin soll Venus in Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ spielen. Nur Venus. Nur ihre Rolle. Aber als Orpheus und dessen Ersatz krankheitsbedingt ausfallen, übernimmt Ledoux kurzerhand beide Partien – Mezzosopran und Tenor, Weiblichkeit und Männlichkeit, Göttin und Mensch. Ohne Probe mitten ins Spotlight. Am nächsten Tag spricht die Welt über sie. Nicht nur in Wien, nicht nur in Opernkreisen. Überall. Frauen, die Männerrollen singen? Das kommt vor, ist aber selten.

Aber Katia Ledoux ist keine, die sich an Regeln hält – weder auf noch abseits der Bühne. Schwarz, queer, polyamorös, Feministin: Ihre Identität ist unüberhörbar. Und sie will gehört werden. Als Lotte de Beer, Direktorin der Volksoper in Wien, Ledoux für ihre feministische Neuinterpretation von „Carmen“ engagiert, ist schnell klar, dass dies keine Inszenierung von der Stange wird.

Die Inszenierung spaltet das Publikum. Während in der Presse debattiert wird, konservative Kritiker:innen sie als „zu feministisch“ oder „zu woke“ abtun, erreicht Ledoux eine Welle emotionaler Briefe. „Handgeschrieben, voller Leidenschaft – das gibt es nur in Wien“, sagt sie der französischen Tageszeitung „Le Monde“. Es sind Momente wie diese, in denen die Oper zur Plattform wird, zur Bühne für Stimmen, die sonst selten gehört werden.

Für Katia Ledoux ist Oper mehr als Unterhaltung – sie ist politisch. Sie erzählt Geschichten, die bewegen sollen. Sie kämpft für marginalisierte Künstler:innen, für Schwarze Stimmen, für queere Perspektiven. Seit 2020 engagiert sie sich in der Black Opera Alliance, einer Bewegung, die während der Anfänge von Black Lives Matter gegründet wurde. Sie tritt für Diversität in einer oft weißen, elitären Kunstform ein. „Oper kann provozieren, sie kann aufrütteln und verändern“, sagt sie 2024 dem „Falter“. Doch von einer „Abschaffung“ problematischer Werke hält sie nichts. Sie liebt klassische Opern wie Mozarts „Zauberflöte“, betrachtet sie aber kritisch. „Es geht nicht darum, diese Werke zu verbannen“, erklärt sie, „sondern darum, sie neu zu erzählen.“

Heute steht Ledoux als Künstlerin für eine neue Generation von Oper. Sie ist keine klassische Diva, sondern eine kompromisslose Kämpferin – für sich selbst und für andere. „Ich bin nicht die Sängerin, die ihr erwartet“, sagt sie im „Falter“, „aber ich bin die Sängerin, die ich sein will.“ Katia Ledoux ist groß, präsent und kompromisslos. Ihr Werkzeug? Ihre Stimme. Ihre Bühne. Ihre Revolte. Auch beim Wissenschaftsball 2025.