Als Experimentalphysiker forsche ich an einer neuen Definition der Zeit mit der „Nuclear clock“. Letztes Jahr ist es uns zum ersten Mal gelungen ist, einen Atomkern des Thorium-229 Isotops gezielt mit einem Laser anzuregen. Es ist nun absehbar, dass Kernuhren die aktuell gebräuchlichen Atomuhren ablösen werden. Die neue „Quantenphysik mit Kernen“ hat noch viele andere mögliche Anwendungen von Informationsspeichern zu sehr hochenergetischen Lasern.
Freiheit und Zeit: Um erfolgreich an der Zeitmessung zu forschen brauche ich eine internationale Top-universität mit ordentlichen Labors und kontinuierlich substantielle Fördermittel – das haben mir TU Wien und FWF, ERC etc. gegeben. Und ich brauche Freiheit und Zeit – es hat 15 Jahre gedauert, bis aus rein theoretischen Überlegungen ein experimenteller Durchbruch wurde.
Ich versuche, mich über meine persönliche Forschung hinaus einzubringen, habe mich engagiert als Institutsvorstand und Dekan, im Direktorium der Junge Kurie der ÖAW, im Präsidium des WPI. Wir Wissenschaftler:innen in Österreich sollten nicht vergessen, wie gut es uns hier und jetzt geht. Aber auch dass unser – bei aller berechtigter Einzelkritik – sehr gut funktionierendes Wissenschaftssystem wieder wegkippen kann. Sogar innerhalb der EU passiert das, wie unser Nachbarland Ungarn zeigt, wo Medien, Kunst und Universitäten ihre Freiheit verlieren.
Mut: Wir sind gerade am Umbruch in eine neue politische Zeit, in der für komplexe gesellschaftliche Fragen und Probleme vermeintlich einfache Lösungen angeboten werden. Wir Wissenschaftler müssen da kritisch bleiben und wenn nötig unsere Stimme erheben, sollen seriöse Wissenschaft und die wichtigen Grundlagen dahinter kommunizieren. Professor kommt von „Professio“, dem öffentlichen Bekenntnis zu dem, was man nach bestem Wissen und Gewissen für wahr erkannt hat. Und das nicht nur in selbstbestätigenden akademischen Kreisen wie hier am Wissenschaftsball, sondern in der breiten Bevölkerung und bei den agierenden Politikern. Es ist immer kontraproduktiv, Menschen und Parteien auszugrenzen und Dialog zu verweigern. In allen Parteien in Österreich gibt es auch vernünftige Politiker, die an sachlich guten Lösungen interessiert sind und die uns durchaus zuhören, wenn wir engagiert auf sie zugehen. Mutig in die neue Zeit!
Thorsten Schumm, Professor an der TU Wien und Vollmitglied des WPI, gehört zu den führenden Experimentalphysikern in Österreich, u.a. mit Durchbrüchen zur „nuclear clock“. Der gebürtige Berliner machte sein Doktorat beim Nobelpreisträger Alain Aspect in Paris Sud und Jörg Schmiedmayer in Heidelberg. Er erhielt u.a. den START Preis, einen ERC Starting Grant und einen ERC Synergy Grant . Als Vizedirektor des Institut CNRS Pauli repräsentiert er den offiziellen Veranstalter des Wissenschaftsballs, das Wolfgang Pauli Institute.